AVN
 
 
 

A44: Klagen

Einführung

Die juristische Auseinandersetzung um den Bau der A44 von Kassel nach Eisenach befindet sich nach wie vor in der entscheidenden Phase. Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass für den Bereich Hess. Lichtenau trotz aller gebauten Tatsachen das Land eine neue Planung vorlegen muss. Dass wir diesen positiven Zwischenstand erreicht haben, liegt auch an der bisherigen Unterstützung weit über die Region hinaus. Vielen Dank dafür. Der folgende Text beleuchtet einige Hintergründe und stellt die aktuelle Situation dar.

Für eine umweltverträgliche Verkehrspolitik in Nordhessen

Die beiden BUND-Kreisverbände Werra-Meißner und Kassel setzen sich seit 1991 im Rahmen der Aktionsgemeinschaft Verkehr Nordhessen (AVN) für eine umweltverträgliche Verkehrspolitik in Nordhessen ein. Die AVN ist der Zusammenschluss von ca. 30 Verbänden und Initiativen, die in der Region zwischen Kassel und Eschwege aktiv sind. Sie wurde u.a. gegründet, um den Bau der A44 von Kassel nach Wommen (Eisenach) zu verhindern.

Warum klagt der BUND?

Ziel des BUND ist eine umweltverträgliche Gesamtplanung ohne naturzerstörenden und verkehrspolitisch unsinnigen Autobahnbau. Der Bau der Autobahn Kassel - Wommen zerstört unwiederbringlich hochwertige Naturschutzgebiete, teilweise von europäischem Rang (sogenannte FFH-Gebiete). Das nordhessische Bergland zeichnet sich u.a. durch das Vorkommen von Wildkatze, Schwarzstorch, Uhu, Wanderfalke und Orchideen aus. Im Abschnitt Hess. Lichtenau betrifft dies die Biotope Pfeiffengraswiesen und Kalktuffquelle, und damit die Lebensräume des Raubwürgers und des schwarzen Ameisenbläulings (prioritäre Arten gemäß Naturschutzgesetz). (-> Siehe auch Gutachten.)

Die scheinbar perfekte Autobahnplanung hält detaillierter fachwissenschaftlicher Überprüfung nicht Stand. Letztlich geht es um die Frage, welches Gewicht (europäisches) Naturschutzrecht gegenüber massiven Eingriffen in Natur und Landschaft z.B. durch einen regionalen Autobahnbau hat.

Wir halten einen "Umweg" von ca. 40 km über die A7 nach Bad Hersfeld und weiter über die A4 Richtung Osten insbesondere für den LKW-Verkehr für zumutbar. Durchfahrtverbote für LKW und wo erforderlich Ortsumfahrungen können die Belastungen der Anwohner der heutigen Bundesstraße B7 deutlich reduzieren.

Planungsgeschichte A44

Anfang der 90er Jahre wurde infolge des steigenden PKW- und LKW-Verkehrs auf der B7 nach der Grenzöffnung der Ruf nach einem Ausbau der B7 bzw. nach dem Bau der Autobahn laut. Verkehrspolitischer Hintergrund: In den 70er Jahren wurde die B7 bereits ausgebaut, um an bestimmten Stellen 20.000 Kfz aufzunehmen. In vielen Ortschaften wurde die Bundesstraße bewusst in der Ortslage belassen. Heute befahren 13.000 bis 20.000 Fahrzeuge die Straße. 1985 erfolgte die Stillegung der Bahnstrecke Kassel - Eschwege für den Personenverkehr.

Zunächst setzte die hessische rot-grüne Regierung (damaliger Ministerpräsident war Hans Eichel) auf den in der Regel dreispurigen Ausbau der B7. Ein Lückenschluß der alten Bahnlinie über Eschwege hinaus nach Osten (die frühere Mitte-Deutschland-Bahn) wurde nicht diskutiert. Die Bundesregierung (Verkehrsminister Krause) setzte auf den Autobahnbau. Die A44 wurde vom Deutschen Bundestag 1993 als "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit" in den vordringlichen Bedarf aufgenommen. Zitat aus dem Gesetz: "Mit dem Neubau der A44 Kassel - Herleshausen (Eisenach) und dem sechsstreifigen Ausbau der A4 zwischen Eisenach und Dresden (...) wird die Verbindung der Zentren Rhein/Main und Rhein/Ruhr mit Thüringen (und) Sachsen erheblich verbessert. Die Maßnahme stellt einen wesentlichen Beitrag zur Beseitigung bestehender Verkehrsengpässe dar und bewirkt dadurch sowohl eine Erhöhung der Verkehrssicherheit als auch eine spürbare Entlastung des regionalen Straßennetzes."

Die Landesregierung gab schließlich nach und versuchte ab 1995 gegen den Widerstand vor Ort eine ortsnahe Autobahntrasse entlang der B7 durchzusetzen ("landschafts- und strukturangepasste Regionalautobahn"). Die A44 soll an der Anschlussstelle Kassel-Ost an die A7 angebunden werden. Beachtenswert ist der Widerspruch zwischen dem Bundesgesetz und der Ausführungsplanung.

Bereits damals stand fest, dass es keinen konfliktarmen Korridor geben würde. Wertvolle Naturschutzgebiete würden verloren gehen, selbst das Gutachten der Planungsbehörden sprach von "hohem Raumwiderstand".

Der gesamte ca. 63 km lange Abschnitt zwischen Kassel und Wommen wurde in sechs Abschnitte unterteilt. Dies geschah auch in der Absicht bauliche Fakten zu schaffen, ohne das insbesondere die Auswirkungen auf Natur und Landschaft in den anderen Abschnitten geklärt sind. Der gesamte Bau wird nach heutigem Kostenstand 1,2 Milliarden Euro, d.h. pro Kilometer ca. 15 Millionen Euro verschlingen.

Bauen ohne Baugenehmigung

Im privaten Bereich nicht vorstellbar, beim Autobahnbau Realität: Bund und Land haben sich Mitte der 90er Jahre darauf geeinigt das bestehende Planungsrecht ("Beschleunigungsgesetz") anzuwenden, das einen Bau trotz bestehender Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluß zulässt. Entsprechend erfolgte 1999 im Abschnitt Walburg feierlich der erste Spatenstich, ohne auch nur das vom BUND beantragte Eilverfahren abzuwarten. Der BUND verlor das Eilverfahren sowie das Hauptverfahren aufgrund einer äußerst restriktiven Auslegung des formalen Verwaltungsrechts durch den zuständigen VGH in Kassel. Zwischenzeitlich wurde fleißig auf Kosten der Steuerzahler weitergebaut. Die Arbeiten wurden bewusst unter dem Risiko geführt, Baumaßnahmen wieder rückgängig machen zu müssen.

In diesem Zusammenhang ist auch die Stadt Hess. Lichtenau zu kritisieren, die im Vorgriff ein Gewerbegebiet an der erwarteten Nordtrasse errichten lässt. Dies kann sich als unverantwortliche Fehlplanung erweisen.

Aktueller Stand der Klagen

Bauabschnitt Hess. Lichtenau

Der Antrag des BUND auf sofortigen Baustopp (Eilverfahren) wurde nach längerem juristischem Argumentationsaustausch von beiden Seiten für erledigt erklärt. Die Kosten für dieses Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (BVG) dem Land Hessen auferlegt, da das Land erst im Laufe des Verfahrens erklärt hat, mit den Baumaßnahmen bei Hess. Lichtenau (FFH-Gebiet) zu warten, bis eine Entscheidung des BVG vorliegt. Zunächst hatte das Land Hessen erklärt, ein Baustopp würde den Bau der A44 in diesem Abschnitt um mindestens ein Jahr verzögern.

Nach der mündlichen Verhandlung vor dem BVG wurde vom Gericht am 18.12.2001 ein sogenannter Aufklärungsbeschluß getroffen. Das Land Hessen musste bis zum 15.02.2002 darlegen, ob eine Südumfahrung von Hess. Lichtenau unter FFH-Gesichtspunkten im Verfahren geprüft wurde. Es muss dargelegt werden, dass die gewählte Nordumfahrung durch das potientielle FFH-Gebiet "Lichtenauer Hochland" naturschutzfachlich den geringsten Eingriff darstellt. Die vom Land Hessen vorgelegten Unterlagen lassen dies nicht erkennen. Der BUND hat in einer juristischen Stellungnahme nachgewiesen, dass die Argumente des Landes sowohl naturschutzfachlich als auch bezüglich der angeblich höheren Kosten nicht haltbar sind. Am 16.05.2002 folgte das BVG in Berlin der BUND-Argumentation und stoppte den Bau. (BVerwG 4 A 28.01 auch als .pdf) Die Untersuchung des Landes wird voraussichtlich im Frühjahr 2004 vorliegen. Solange ruhen die Bauarbeiten in diesem Abschnitt.

Bauabschnitt Walburg

Der Antrag des BUND auf sofortigen Baustopp (Eilverfahren) wurde vom Verwaltungsgerichtshof Kassel (VGH) abgelehnt. Die Begründung des VGH ist juristisch äußerst umstritten. U.a. wurden verschiedene vom BUND benannte Sachverhalte als nicht termin- und sachgerecht ohne inhaltliche Prüfung zurückgewiesen. Die Klage in der Hauptsache wurde vom VGH am 05.03.2003 mit den bekannten formalen Argumenten zurückgewiesen. Eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen, so dass in diesem Abschnitt die Arbeiten nun mit Baurecht zu Ende geführt werden können. Eine Vorentscheidung für die Folgeabschnitte wird vom Gericht ausdrücklich verneint.

Abschnitt Sontra (Ulfen - Herleshausen/Wommen)

Das Planfeststellungsverfahren ist abgeschlossen worden. Neben anderen hat auch der BUND im September 2001 Einwendungen (rund 130 Seiten) erhoben. Das geplante Vorhaben ist nach Meinung des BUND aufgrund von fehlerhaften und unvollständigen Untersuchungen sowie fehlerhafter Abwägung der Planungsbehörde nicht genehmigungsfähig. Eine Stellungnahme der Planungsbehörde steht dazu noch aus. Gemeinsam mit privaten Klägern wird der BUND auch in diesem Abschnitt, nach Vorliegen des Planfeststellungsbeschluß ggf. Klage einreichen. Dies sollte ursprünglich im Frühjahr/Sommer 2002 der Fall sein. Ein neuer Termin wurde noch nicht genannt.

Weitere Abschnitte

Gegen die weiteren noch nicht planfestgestellten Abschnitte sind Klagen angekündigt worden, entweder vom BUND und /oder von betroffenen Bürgern oder Gemeinden.

 

Im Herbst 2004 gilt:

Bau der A44 weiter fraglich !

Sie sollte im Jahr 2004 schon in weiten Teilen befahren werden: die A44 von Kassel nach Wommen. Das dies nicht so ist und viele Argumente weiterhin gegen eine Realisierung sprechen ist eindeutig positiv zu bewerten.

Lediglich der Abschnitt Walburg (4,3 km Länge) konnte gebaut werden. Und das auch nur weil der VGH Kassel europäisches Naturschutzrecht aus formalen Gründen für nicht relevant hielt. Für den benachbarten Abschnitt Hess. Lichtenau ist nach wie vor völlig offen, ob dort weitergebaut werden darf. Seit dem Urteil des BVWG im Mai 2002 sind über zwei Jahre vergangen ohne dass das Land Hessen die vom Gericht geforderten Nachuntersuchungen für den Süden von Hess. Lichtenau vorlegen konnte.

Die angekündigte "Dach-FFH-Prüfung" für den gesamten Trassenbereich von Kassel bis Wommen liegt ebenfalls noch nicht vor. Die Nachmeldung des Landes Hessen der FFH / VSG-Gebiete ist weitgehend abgeschlossen. Eine BUND-Beschwerde bei der EU hinsichtlich der Verletzung der NATURA 2000 läuft noch.

Seit Anfang 2004 läuft im Auftrag des ASV Eschwege ein sogenanntes Moderationsverfahren zur Klärung des naturschutzfachlichen Ausgleichskonzeptes. Der BUND und die AVN sind einbezogen. Es haben bereits zwei Workshops stattgefunden, der geplante Abschluss dieses Verfahrens im Sommer 2004 wurde auf Frühjahr 2005 verschoben. Die Abschnitte Bischhausen bis Wommen sind Gegenstand der Betrachtungen. Dieses Moderationsverfahren während der laufenden Planfeststellungen ist ein absolutes Novum in der Bundesrepublik. Es zeigt die massiven Probleme der Behörden diese Autobahn zu planen.

Auch in den übrigen Teilbereichen von Kassel bis Hess. Lichtenau sind keine relevanten Planungsschritte erfolgt.

Naturzerstörung immer deutlicher

Der BUND hat in einem Gutachten vom Herbst 2002 im gesamten A44-Korridor die Beeinträchtigungen von hochwertigen Naturschutzgebieten untersuchen lassen. Einige Teilbereiche wurden zwischenzeitlich nachuntersucht.
Ergebnis: Die A44 ist nur bei in Kaufnahme schwerer Naturzerstörungen baubar.

Alternativen

Es geht besser ohne neue Autobahn. Ortsumfahrungen, mehr öffentlicher Verkehr und ein LKW-Durchfahrtverbot auf der B7/ B27/ B400 sind die Maßnahmen dafür. Entgegen der bisherigen Aussagen des Landes zeigt ein vom BUND in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten (Januar 2003), daß ein LKW-Durchfahrtverbot möglich ist.

Darum: Unterstützen Sie die AVN und den BUND weiter in ihrem Einsatz für eine umweltverträgliche Verkehrspolitik in Nordhessen. Die weiteren Aktivitäten hängen auch davon ab, ob weiterhin genügend Geld für Gutachten und Anwaltshonorare zur Verfügung stehen. Der Einsatz für unsere Region lohnt sich!


Spendenkonto:
BUND Landesverband Hessen
Kontonummer: 369853, Frankfurter Sparkasse, Bankleitzahl 500 502 01
Stichwort (bitte immer angeben): "Rechtshilfefond A44"

Wer eine Spendenquittung benötigt, möge bitte seinen Namen im Überweisungsträger eintragen, bei Spenden unter 50 Euro gilt der Überweisungsträger als Beleg.

 
 
 

http://avn.cooltips.de/a44klagen.php ,     erstellt am 22. Mai 2003,     zuletzt geändert am: 13. Mar 2009 (ehr)